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Fajitas: schnell, beliebt – und ein bisschen giftig?


Heisser Sommerabend. Die Küche gleicht einem Backofen, der Appetit auf deftige Kost ist irgendwo zwischen Gartenschlauch und Sonnencrème verdampft – und schon wieder Grill oder Salat? Nein danke. Jetzt schlägt die Stunde der Fajitas! Diese wunderbar weichen Teigfladen mit allem drin, was der Kühlschrank hergibt – sie sind so beliebt wie der Sonntagszopf, nur eben unter der Woche. Unsere Kinder lieben sie. Und ehrlich gesagt: Ich auch. Gefühlt könnte ich jeden zweiten Abend mexikanisch dinieren, eingerollt in Maisfladen, begleitet von Avocado, Bohnen, ein bisschen Joghurt und einer ordentlichen Portion Selbsttäuschung.

 

Denn irgendwann, zwischen Guacamole und Grillkäse, habe ich begonnen, die Zutatenliste dieser „praktischen Fertig-Fladen“ zu lesen. Und dann kam die Ernüchterung. Was bitte machen 14 Inhaltsstoffe in einem Produkt, das aus drei bestehen sollte? Glukosesirup, Konservierer, Emulgatoren, Farbstabilisatoren – klingt eher nach einer wissenschaftlichen Abhandlung als nach einem Grundnahrungsmittel. Und von Mais ist da oft weniger drin als von fragwürdigen Streckmitteln.

 

Also begann meine Suche nach Alternativen. Und nein, der Weg führte nicht direkt zur Bio-Oase im Dorf. Aber ich habe sie gefunden: Varianten, die nicht aus der Tiefkühltruhe einer globalen Lebensmittelkette stammen, sondern aus ehrlicherer Herkunft. Sie sind nicht perfekt, aber sie lassen sich mit gutem Gewissen servieren – und schmecken dabei auch noch richtig gut.

 

In diesem Blog zeige ich dir, wie du deinen mexikanischen Abend retten kannst. Für dich. Für deine Kinder. Und für ein kleines Stück Lebensmittelwürde zwischen Siesta und Salsa.



Eigentlich bräuchte es für Fajita-Fladen genau das: Mehl, Wasser, Salz. Punkt. Vielleicht noch ein Tropfen Öl, wenn man es besonders geschmeidig mag. Doch ein Blick auf die Rückseite der bunten Verpackung in der Supermarktregal-Hitparade offenbart: Da steckt mehr drin als Liebe. Und zwar deutlich mehr. Da finden sich Dinge wie Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, modifizierte Stärke, Zucker (in einem Teigfladen?), Backtriebmittel E500, E450, Emulgatoren, Säureregulatoren, Konservierungsstoffe und eine Prise Alibi-Maismehl. Voilà – ein Industrie-Kunstwerk!

 

Aber warum? Ganz einfach: Diese Fladen sollen gefühlt bis zum nächsten Jahrhundert haltbar, ewig weich und weltweit identisch schmecken. Dass dabei weder der Gaumen noch der Darm wirklich jubeln, ist... sagen wir mal: ein Kollateralschaden.

 

Ich will hier ja kein Moral-Apostel sein. Glaub mir – auch bei uns zu Hause kam schon manch ein „Fertigpäckli“ zum Einsatz, wenn die Kinder abends von einer Mexikaner-Attacke heimgesucht wurden (meist verbunden mit plötzlichem Wachstum, grossem Hunger und der völligen Ablehnung von Besteck). Und ja, es ist praktisch. Und schnell. Und irgendwie auch lecker.

 

Aber ist es das wert? Die Kombination aus 14 Zusatzstoffen und einer Plastikverpackung, die mindestens genauso unnatürlich ist wie das Fladenbrot selbst, lässt zumindest mein Bauchgefühl protestieren – und nicht nur das. Denn was diese E-Stoffe langfristig im kindlichen Organismus bewirken, ist bestenfalls unklar. Im schlechteren Fall: nicht besonders förderlich.

 

Also: Was wäre, wenn wir zurück zum Ursprung gingen? Wenn der Fladen wieder das wäre, was er mal war: eine ehrliche, einfache Grundlage für grosses Geschmackskino – statt eine weichgepimpte Konservierungsbombe aus dem Plastiksarg?

 

Wie schmeckt so ein Fladen eigentlich, wenn er nur drei Zutaten kennt – und keine E-Nummern? Und lässt sich dieses mexikanische Soulfood wirklich ganz einfach selbst machen, ohne gleich eine Tortilla-Presse aus Oaxaca zu importieren?



Abuela weiss es besser – Die Kunst der echten Fajita-Fladen Wenn man eine mexikanische Grossmutter, sagen wir: Doña María, fragt, wie man echte Tortillas oder Fajita-Fladen macht, dann schaut sie einen zuerst schweigend an. Dann schüttelt sie langsam den Kopf, als hätte man gefragt, ob man Wasser backen kann. Und dann beginnt sie zu erzählen. Von ihrer Mutter. Und von deren Mutter. Und von Mais. Immer von Mais.

"Du nimmst Masa Harina – das ist Maismehl, nixtamalisiert, also mit Kalk behandelt, damit es bekömmlich wird und schmeckt wie Kindheit – gibst Wasser dazu, eine Prise Salz, knetest mit der Hand, nie mit der Maschine. Dann formst du kleine Kugeln, drückst sie flach (früher mit einem Tonkrugboden, heute mit allem, was flach ist), und bäckst sie in der trockenen Pfanne – comal, wie wir sagen – bis sie ein bisschen Luft holen."

Und das war’s. Kein Zauber. Kein Backtriebmittel E-irgendwas. Nur Geduld, warme Hände und gutes Mehl.

Warum man das heute kaum noch so sieht? Weil Zeit Mangelware wurde und Bequemlichkeit Überhand nahm. Die Abuela zuckt mit den Schultern und sagt: "Weil ihr vergessen habt, dass Essen nicht nur satt machen, sondern auch verbinden soll. Hände in Teig – das ist Familie."

 

Ich gestehe: So ganz wie Doña María mach ich’s nicht. Ich bin kein Traditionalist, sondern ein neugieriger Kulinariker mit leichtem Hang zum Experiment. Und ich wollte wissen: Gibt’s einen Weg, den mexikanischen Fladen in eine lokalere, alltagstaugliche Version zu übersetzen? Etwas, das ohne Palmöl, ohne Weichmacher und ohne dreifache Plastikschicht auskommt – aber dennoch schmeckt?

 

Und ja, ich habe gepröbelt. Nicht mit Maissorten vom Hochland, sondern mit einer anderen kleinen Körnigkeit, die langsam auch hierzulande Wurzeln schlägt: Quinoa. Zugegeben – mein erster Versuch war kein Volltreffer, die Textur forderte Geduld, der Geschmack wollte erst noch überredet werden. Aber: Es hat Potenzial.

Denn Quinoa wächst inzwischen auch in der Schweiz – mehr als viele denken. Vielleicht schaffen wir es ja, diese nährstoffreiche Pflanze nicht nur in Bowls zu streuen, sondern auch in die Alltagsküche einzubauen. Vielleicht werden unsere Kinder bald Quinoa-Fajitas lieben – aus regionalem Anbau, selbstgemacht, ehrlich.

Ist das die Zukunft der mexikanisch-schweizerischen Fusionküche? Oder zumindest ein Anfang?

Wie aber gelingen diese Quinoa-Fladen wirklich – so, dass sie weich bleiben, sich gut rollen lassen und dabei nicht nur den Bauch, sondern auch das Gewissen zufriedenstellen?



Eigentlich ist es keine Hexerei. Wirklich nicht. Der erste Fehler, den ich gemacht habe? Nein, es waren keine mysteriösen Zusatzstoffe oder E-Nummern. Es war das warme Wasser. Ich habe den Teig mit zu warmem Wasser angerührt – und schwupps: Die Quinoa-Körner haben angefangen zu quellen. Das Resultat war... sagen wir, eher ein Frühstücksbrei als ein Fladen.

 

Also: nächster Versuch. Diesmal habe ich die rohen Quinoa-Körner zuerst mit dem Thermomix (du kannst auch ein anderes Hochleistungsmixgerät verwenden – aber bitte, der Stabmixer bleibt hier definitiv auf der Ersatzbank - der taugt für diese Tat nicht) zu feinem Mehl pulverisiert. Danach kam kalte, ja wirklich kalte, Bouillon dazu – das ist entscheidend! Kurz püriert, und schon war ein geschmeidiger, flüssiger Teig bereit für die Pfanne.

 

In einer beschichteten Bratpfanne ohne Fett habe ich die Fladen dann langsam ausgebacken. Du kannst die Masse nach Belieben würzen – ob mediterran mit Rosmarin und Thymian oder etwas feuriger mit Curry oder Kreuzkümmel. Was am Ende rauskommt? Fladen, so weich wie die E989-Kollegen aus dem Plastikbeutel – aber mit nur drei Zutaten. Schnell gemacht, ehrlich, sättigend. Und: gut fürs Gewissen.

 

Jetzt schaust du mich vielleicht ein wenig skeptisch an und denkst: „Ist ja schön und gut mit deinen drei Zutaten, aber die fertigen aus der Packung – die sind halt einfach schneller. Und die halten drei Jahre!“ Oder so ähnlich.

 

Ja, beim Lagern haben die Industriefladen tatsächlich ihren Vorteil. Aber eben nur, wenn man Frische gegen Konservierungsmittel tauscht. Und das muss nicht sein. Denn mit ein bisschen Organisation bist du mit selbstgemachten Fajitas erstaunlich flott unterwegs: Der Teig? In 30 Sekunden angerührt. Und während du die Füllung schnippelst, lässt du in der Pfanne ganz entspannt die Fladen rausbrutzeln. Du musst da nicht danebenstehen – die brennen dir nicht gleich ab wie eine Crêpe mit Handy-Ablenkung. Und falls die kleinen hungrigen Mexikaner*innen bei dir zu Hause schneller am Tisch sitzen als du braten kannst: Kein Stress. Einfach mal die erste Runde servieren – und während sie selig kauen, die nächste backen.

 

Zur Lagerung: Zwei, drei Tage im Kühlschrank sind kein Problem. Für längere Vorratshaltung frierst du sie einfach ein – wichtig: Backpapier zwischen die Fladen legen. Dann kannst du sie einzeln entnehmen und bei Raumtemperatur auftauen. Hält problemlos ein halbes Jahr. Und das mit gerade mal drei Zutaten. Ganz ohne kryptische Codes auf der Rückseite. Aber wie würze ich sie am besten – und womit fülle ich sie, damit alle glücklich werden?



Scharf, aber bitte mit Verstand – wenn die Fajita Feuer fängt - Beim Füllen der Fajitas sind deiner Fantasie wirklich kaum Grenzen gesetzt: Gemüse vom Vortag, Pulled Chicken, gebratene Pilze, Kräuterquark, Hummus, Rindshack, Grillkäse, Linsen-Tajine oder einfach der gute alte Salat-mit-alles. Alles darf, nichts muss. Und ehrlich – Fajitas sind wie leere Leinwände. Du malst mit dem, was der Kühlschrank hergibt.

 

Aber dann kommt da dieses Thema… das Feuer. Nicht das in der Pfanne. Sondern das auf der Zunge.

Oder, noch schlimmer, das in den Augen deiner Kinder, wenn sie nichtsahnend in einen Jalapeño beissen und dann erstmal an ihrem Wasser nippen wie an einem Whisky. „Mami, mein Hals brennt…“ Ja, wir reden über Schärfe. Scharf ist sexy. Scharf ist cool. Scharf macht wach. Und manchmal macht scharf halt auch ein bisschen… Drama am Esstisch. Aber wie gesund ist das eigentlich – dieses Scharf?

 

Die Antwort ist wie immer: Kommt drauf an. Capsaicin – so heisst der Stoff in Chilis und Konsorten – bringt den Kreislauf in Schwung, wirkt entzündungshemmend, kurbelt die Verdauung an und setzt Glückshormone frei. Schärfe ist also nicht per se schlecht. Es sei denn, man übertreibt es. Für Kinder ist das jedoch noch mal eine andere Geschichte. Ihre Geschmacksnerven sind noch in Ausbildung, ihr Verdauungssystem sensibler – und ihre Begeisterung für Schärfe eher… unterentwickelt. Wenn man also bei Tisch nicht plötzlich einen feuchten Waschlappen, ein Glas Milch und eine pädagogische Erklärung zum Thema „nicht alles, was rot ist, ist süss“ bereithalten möchte, gilt: Dosieren mit Gefühl.

 

Tipp aus der Praxis:

Du willst Schärfe? Dann misch dir dein eigenes Chili-Öl, stell’s auf den Tisch – und jeder würzt sich so viel Apokalypse auf die Fajita, wie er (ver)tragen kann. So bleibt der Familienfrieden erhalten, und der Esstisch wird nicht zur Mutprobe.

 

Und ja, ich weiss: Ohne ein bisschen Schärfe fehlt manchmal das gewisse Etwas. Aber hey – das Leben ist auch so schon scharf genug. Vor allem, wenn du drei Kinder, einen vollen Kühlschrank und eine leere Geduld hast.

Also lieber so: Füll mutig. Würz kreativ. Und wenn’s brennt – dann vor allem vor Begeisterung.

 

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